Interview

Der Designer Ken Chikyu erklärt Konzeption und Technologie des „Goldwin Tech Pack“

Mit dem „Goldwin Tech Pack“ ist jetzt der erste Daypack der Marke Goldwin auf den Markt gekommen. Sein überraschend minimalistisches Aussehen sollte jedoch nicht über die herausragende technologische Kompetenz der Marke hinwegtäuschen. Der Produktentwickler Ken Chikyu hat zahlreiche Designs für Rucksäcke entwickelt und verrät in diesem Interview, welche technischen und gestalterischen Ideen den „Goldwin Tech Pack“ zu einem technisch souveränen Produkt von schlichter Eleganz machen.

−Erzählen Sie uns bitte, wie Sie dazu gekommen sind, den Goldwin Tech Pack zu entwickeln.

Ken Chikyu Goldwin Inc. hat schon viele Daypacks für seine Marken wie The North Face und Helly Hansen hergestellt, doch für die Marke Goldwin haben wir bei Tech Lab bisher noch nie etwas gemacht. Alles begann damit, dass mir angeboten wurde, mein Knowhow über die Entwicklung von Rucksäcken für die Marke Goldwin einzubringen.

Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, eine Idee zu entwickeln, wie ich das Produkt angehen sollte. Für die Marke Goldwin, die erst relativ spät in den Rucksackmarkt eingestiegen ist, bedeutete es eine große Herausforderung, ein Outdoor-Produkt zu entwickeln, das sich gegen andere Marken, die schon viele Produkte in dieser Kategorie anbieten, durchsetzen kann. Deshalb habe ich mich gefragt: „In welche Richtung soll es gehen?“ So ist schließlich ein Daypack entstanden, der Technologie und urbanen Stil in sich vereint - Merkmale, für die Goldwin seit seiner Gründung vor über 70 Jahren steht.

−Was ist das technologisch hervorstechendste Merkmal des Goldwin Tech Pack?

Chikyu: Der Goldwin Tech Pack ist ein wasserdichter Rucksack, bei dem der Einsatz von Nahtband eine große Rolle spielt. THE NORTH FACE bietet Taschen an, bei denen Nahtband verwendet wird, aber ich habe noch nie einen Daypack mit Nahtband entwickelt. Wir haben zwar Erfahrung mit Taschen wie z. B. Tote Bags, doch Nahtband wurde ursprünglich für Jacken entwickelt, und es ist technisch schwierig, es bei Taschen und Rucksäcken anzuwenden. Viele sagen „Ich will einen Rucksack mit Nahtband machen“, doch das ist leichter gesagt als getan. Ich hatte mich schon seit etwa vier Jahren mit dieser Idee beschäftigt.

Während ich noch darüber nachdachte, erhielt ich eine Anfrage von einer anderen Marke aus Übersee, die einen Rucksack mit Nahtband herstellen wollte. Da das Unternehmen seinen Sitz in Hongkong hat, bat ich darum, die Produktion in China zu ermöglichen. Doch keine der Fabriken war in der Lage, die technischen und finanziellen Anforderungen zu erfüllen. Das hat mir gezeigt, wie schwierig es ist, ein solches Projekt zu realisieren. Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen hatte ich großen Respekt vor dem großen handwerklichen Können der Mitarbeiter des Goldwin Tech Lab, als ich ihnen meine Idee vorstellte. Doch alle waren begeistert von der Herausforderung, jetzt auch einmal einen Daypack zu entwickeln und sagten: „Lasst uns das machen!“

−Wann hat dieses Projekt begonnen?

Chikyu: Die Produktion begann im Mai 2022. Da wir den Rucksack im Jahr 2022 auf den Markt bringen wollten, haben wir alle Beteiligten gebeten, mit der Herstellung des Prototyps so schnell wie möglich zu beginnen und ihn innerhalb von zwei Wochen fertigzustellen. Den Prototyp konnten wir dem Leiter der Entwicklungsabteilung dann Ende Juni präsentieren. Danach habe ich noch weitere Verbesserungen vorgenommen, bevor ich ihn dem President vorgestellt habe, der schließlich sein offizielles OK gab. Vor der endgültigen Fertigstellung wurden mehr als 10 Prototypen hergestellt. Übrigens scheint der President den Prototyp, den ich ihm bei der Präsentation übergeben habe, immer noch zu benutzen. Das werte ich mal als Zustimmung (lacht).

−Welche technologischen Merkmale zeichnen den Goldwin Tech Pack aus?

Chikyu: Zuerst haben wir einen ganz neuen Stoff entwickelt. Wenn es um Wasserdichtigkeit geht, kommt einem als erstes GORE-TEX® in den Sinn, doch die meisten dieser Materialien wurden für Bekleidung entwickelt und sind nicht nur wasserdicht, sondern auch atmungsaktiv, was für Rucksäcke aber nicht erforderlich ist. Außerdem ist der Boden von Rucksäcken häufig einem starken Scheuern ausgesetzt, so dass die Materialien, die für Bekleidung verwendet werden, nicht geeignet sind, weil sie zu dünn sind, um die Form zu halten, und leichter reißen können. Daher haben wir auf eine steifere GORE-TEX®-Variante gesetzt, die häufig in Schnee-Latzhosen zum Einsatz kommt. Wir haben das Material auf der Innenseite mit wasserdichtem Nylon verschweißt, um es feuchtigkeitsundurchlässig zu machen und ihm mehr Festigkeit zu verleihen. Nach zahlreichen Versuchen hatten wir schließlich die ideale Steifigkeit und Festigkeit erreicht. Jeder Rucksack muss so robust sein, dass er mindestens zehn Jahre lang hält.

Chikyu: Die Schultergurte und die Formgebung am Rücken sind wichtig, um einen idealen Sitz des Rucksacks zu erzielen. Ich habe bereits an der Shuttle-Serie von The North Face mitgearbeitet, bei der der Stoff, die Polsterung und das Stretchmaterial für das Futter per Bonding miteinander verklebt sind. Allerdings gab es ein Problem mit der Festigkeit, das ich jedoch lösen konnte, indem ich den Stoff mit einer zusätzlichen Schicht aus Material, das in Bekleidung häufig zum Einsatz kommt, verstärkte. Die Idee, ein bei Rucksäcken selten verwendetes Material zu verwenden, wäre ohne die Mitarbeiter von Tech Lab, die in der Herstellung der unterschiedlichsten Bekleidungsprodukte sehr erfahren sind, nicht entstanden.

Ich hatte zunächst versucht, eine Polsterung am Rücken einzusetzen, doch das führte zu Problemen wie zum Beispiel ein zu hohes Gewicht, Saumstellen und eine unvorteilhafte Optik. Ich konnte diese Probleme lösen und für ausreichend Steifigkeit und eine ideale Passform sorgen, indem ich zwei Stoffe übereinanderlegte. Der Boden besteht ebenfalls aus zwei Stoffen, die miteinander verschweißt sind. Das Innenfutter ist außerdem mit einer dicken PU-Beschichtung versehen, wodurch es besonders strapazierfähig und scheuerbeständig wird.

Chikyu: Da ich, wenn ich einen Daypack benutze, mein Portemonnaie und meine Schlüssel immer in der Fronttasche verstaue, weiß ich, wie nützlich sie ist, aber ich wollte sie auch so minimalistisch wie möglich gestalten. Deshalb habe ich einen Zwickel in das Innere der Tasche eingesetzt, damit kleine Gegenstände so verstaut werden können, dass sie die Tasche nicht ausbeulen. Das Innere besteht aus einem Hauptfach und einem zusätzlichen Laptopfach.

Chikyu: Das Nahtband ist das wesentliche Gestaltungselement, da es die Identität dieses Daypacks ausmacht. Es ist, wie schon erwähnt, nicht ganz einfach, Nahtband an den Kanten eines versiegelten Rucksacks anzubringen. Außerdem wollte ich die besondere Ästhetik des Rucksacks bewahren und sicherstellen, dass er beim Schließen des Reißverschlusses keine Falten wirft. Ich habe bei der Entwicklung immer wieder Kommentare gemacht wie „Es gibt immer noch Falten“ oder „Wie wäre es, wenn man die Nahtzugabe weiter verkleinert?“ Schließlich habe ich darum gebeten, die Nahtzugabe auf etwa 3 mm zu reduzieren. Das Kürzen der Nahtzugabe nach dem Zusammennähen von Reißverschluss und Stoff ist allerdings unüblich, da es sehr aufwändig ist und viel Zeit in Anspruch nimmt. Das war etwas, das meiner Meinung nach nur in einem Tech Lab in Japan möglich ist. Dass Nahtband in einem 90-Grad-Winkel zum Reißverschluss angebracht wird, hat es so wahrscheinlich bisher noch nicht gegeben, auch nicht bei Bekleidung.

−Worauf haben Sie beim Design besonders geachtet?

Chikyu: Es ging vor allem um eine minimalistische Ästhetik. Ich habe mich dabei vom sogenannten „Japonismus“ inspirieren lassen. Bei der Ästhetik spielte das japanische Wabi-Sabi-Konzept eine wichtige Rolle, demzufolge ein stilvolles Design die beeindruckende japanische technologische Expertise nicht in den Hintergrund drängt.

Chikyu: Im „Japonismus“ wird bis ins kleinste Detail gedacht. Das Futter hat ein Muster, das an das Goldwin-Logo angelehnt ist und drei Elemente miteinander verbindet: (1) Spuren im Schnee & Geschwindigkeit, (2) Silhouetten von Natur & Bergwelt und (3) Dynamik & Energie, neu interpretiert in der Form eines Familienwappens. Der lange Reißverschlussschieber zieht einen sanften Bogen und ist von der Form eines japanischen Schwertes und eines Skis inspiriert, was auf die Wurzeln von Goldwin verweist. Eigentlich wollte ich den Schieber noch länger haben, doch das ist wohl das Maximum, um ein optimales Verhältnis von Länge und Festigkeit zu gewährleisten ... (lacht). Allein für den Reißverschluss haben wir mehr als 20 Prototypen angefertigt, bis wir die ideale Form gefunden hatten. Wir waren auch sehr darauf bedacht, die Stichanzahl so niedrig wie möglich zu halten, abgesehen von den Bereichen, die besonders belastbar sein müssen.

Chikyu: Das Goldwin-Logo ist in Schwarz aufgedruckt und verschmilzt mit der Farbe des Rucksacks. Ich dachte zunächst daran, das Logo ganz wegzulassen, um das Design wirklich minimalistisch zu halten. Doch als ich den Logodruck auf der Trailrunning-Tasche sah, die unser Markenbotschafter Dylan Bowman beim Ultra-Trail Mt. Fuji bei sich hatte, dachte ich, dass es wirklich stilvoll aussieht. Und da es sich um den ersten Daypack von Goldwin handelt, der weltweit angeboten wird, hielt ich es für angebracht, unseren Stolz als innovative japanische Marke zu betonen. Ich möchte, dass Menschen auf der ganzen Welt das herausragende technologische Können aus Toyama kennen- und schätzen lernen.

−Werden wir diese technischen Raffinessen künftig auch in anderen Produkten wiederfinden?

Chikyu: Dieser „Goldwin Tech Pack“ ist das erste Modell, und es wird weltweit nur 200 mit fortlaufender Nummer versehene Exemplare geben. Aber wenn wir die Produktionsanlage so eingerichtet bekommen, dass wir größere Stückzahlen herstellen und den Preis senken können, würde ich auf jeden Fall weitere Modelle entwickeln.

item 01

Goldwin Tech Pack

GL93399 / € 720.00

Ken Chikyu

Design-Studium am Bunka Fashion College, Abschluss im Jahr 2001. Anschließend erstes Engagement bei ISSEY MIYAKE INC. 2002 Umzug nach Berlin und Gründung der eigenen Marke „CHIKYU“. Seit 2004 arbeitet Ken Chikyu als Designer für GOLDWIN und hat seither für die EQUIPMENT-Abteilung von THE NORTH FACE zahlreiche Rucksäcke und andere Ausrüstung entworfen. Derzeit ist er freiberuflich als unabhängiger Designer tätig und entwirft Rucksäcke für verschiedene Marken.